Steuerrecht

Das Steuerrecht regelt als Bestandteil des öffentlichen Rechts die Erhebung von Steuern durch die öffentliche Hand. Es definiert die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung staatlicher Aufgaben durch Steuern und bestimmt, wer unter welchen Voraussetzungen welche Steuern zu zahlen hat. Als komplexes Rechtsgebiet umfasst es sowohl materielles Recht als auch Verfahrensrecht und ist durch seine enge Verzahnung mit dem Wirtschaftsleben gekennzeichnet.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die verfassungsrechtliche Basis des Steuerrechts findet sich im Grundgesetz, insbesondere in den Artikeln 105 bis 108 GG. Diese regeln die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern sowie die Verteilung des Steueraufkommens. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt, dass jede Steuer durch Gesetz eingeführt und ausgestaltet werden muss.

Besondere Bedeutung haben die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Diese leiten sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG ab und verlangen eine gerechte Verteilung der Steuerlast entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen.

Steuerarten und ihre Systematik

Das deutsche Steuersystem kennt verschiedene Arten von Steuern, die sich nach unterschiedlichen Kriterien systematisieren lassen. Die wichtigste Unterscheidung ist die zwischen direkten und indirekten Steuern. Direkte Steuern wie die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer knüpfen unmittelbar an die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an. Indirekte Steuern wie die Umsatzsteuer oder die Verbrauchsteuern werden hingegen auf den Konsum erhoben.

Eine weitere Unterscheidung besteht zwischen Personen- und Objektsteuern. Während Personensteuern die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigen, knüpfen Objektsteuern an bestimmte wirtschaftliche Gegenstände oder Vorgänge an. Die Grundsteuer als klassische Objektsteuer beispielsweise besteuert den Grundbesitz unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Eigentümers.

Steuerliches Verfahrensrecht

Das steuerliche Verfahrensrecht ist in der Abgabenordnung (AO) geregelt. Diese enthält die allgemeinen Vorschriften, die für alle Steuerarten gelten. Dazu gehören Regelungen über die Entstehung und Festsetzung von Steuern, die Pflichten der Steuerpflichtigen und die Befugnisse der Finanzbehörden. Besondere Bedeutung haben die Vorschriften über die steuerliche Buchführung und Aufzeichnung sowie die Regelungen zur Außenprüfung (Betriebsprüfung).

Die AO regelt auch den Rechtsschutz im Steuerrecht, etwa durch Einspruch gegen Steuerbescheide und die anschließende Möglichkeit der Klage vor den Finanzgerichten.

Wichtige Einzelsteuergesetze

Das Einkommensteuergesetz (EStG) als zentrales Steuergesetz regelt die Besteuerung natürlicher Personen. Es definiert sieben Einkunftsarten und bestimmt, wie das zu versteuernde Einkommen zu ermitteln ist. Der progressive Steuertarif sorgt dafür, dass höhere Einkommen auch prozentual stärker besteuert werden.

Das Körperschaftsteuergesetz (KStG) regelt die Besteuerung juristischer Personen, insbesondere von Kapitalgesellschaften. Die Gewerbesteuer als wichtigste Gemeindesteuer knüpft an den Gewerbebetrieb an und wird durch das Gewerbesteuergesetz (GewStG) geregelt. Das Umsatzsteuergesetz (UStG) als wichtigstes Gesetz für die indirekten Steuern basiert weitgehend auf EU-Recht.

Steuerliche Gestaltung

Je nach Wahl bestimmter Rechtsformen, Unternehmens- oder Produktionssitze oder aber auch der weiteren Struktur einer Unternehmensgruppe entstehen unterschiedliche Rechte und Pflichten - auch im Sinne des Steuerrechts. Die Unternehmensstruktur aktiv und konkret auf steuerliche Vorteile auszurichten nennt sich steuerliche Gestaltung. Die Gestaltung steuerlicher Sachverhalte ist grundsätzlich zulässig und Teil der unternehmerischen Freiheit. Das Steuerrecht kennt jedoch Grenzen der Gestaltungsfreiheit, insbesondere durch den allgemeinen Missbrauchstatbestand des § 42 AO. Dieser soll verhindern, dass durch missbräuchliche rechtliche Gestaltungen Steuervorteile erlangt werden.

Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und aggressiver Steuergestaltung ist ein wichtiges Anliegen des Steuerrechts. Dazu dienen verschiedene Regelungen wie die Pflicht zur Anzeige bestimmter Steuergestaltungen, verschärfte Dokumentationspflichten im internationalen Bereich und der internationale Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden.

Internationales Steuerrecht

Mit zunehmender wirtschaftlicher Globalisierung gewinnt das internationale Steuerrecht an Bedeutung. Es regelt die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte und soll sowohl Doppelbesteuerung als auch doppelte Nichtbesteuerung vermeiden. Wichtige Instrumente sind dabei die Doppelbesteuerungsabkommen zwischen verschiedenen Staaten.

Das europäische Steuerrecht beeinflusst das nationale Steuerrecht zunehmend, insbesondere im Bereich der indirekten Steuern. Die Harmonisierung der Umsatzsteuer innerhalb der EU ist dafür ein wichtiges Beispiel. Auch die Rechtsprechung des EuGH hat erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des nationalen Steuerrechts.

Digitalisierung im Steuerrecht

Die Digitalisierung stellt das Steuerrecht vor neue Herausforderungen. Die elektronische Übermittlung von Steuererklärungen, die digitale Betriebsprüfung und die automatisierte Verarbeitung steuerlicher Daten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig entstehen neue Besteuerungstatbestände durch digitale Geschäftsmodelle.

Die Finanzverwaltung passt ihre Arbeitsprozesse an die digitale Transformation an. Die Einführung der E-Bilanz, des elektronischen Belegabrufs und der vorausgefüllten Steuererklärung sind Beispiele für diese Entwicklung. Auch die internationale Zusammenarbeit der Steuerbehörden wird durch digitale Technologien unterstützt.