Geldmenge
Die Geldmenge ist eine der wichtigsten monetären Größen in einer Volkswirtschaft und bezeichnet die Gesamtheit aller Zahlungsmittel, die Nichtbanken zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Sie spielt eine zentrale Rolle für die Preisstabilität und wird von den Zentralbanken als wichtige geldpolitische Steuerungsgröße verwendet.
Entstehung und Schöpfung von Geld
Die Geldmenge entsteht durch das Zusammenspiel von Zentralbank, Geschäftsbanken und Nichtbanken. Die Zentralbank schafft das sogenannte Zentralbankgeld (monetäre Basis), das aus dem Bargeld und den Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken besteht.
Die Geschäftsbanken können durch Kreditvergabe zusätzliches Giralgeld schaffen. Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, schreibt sie dem Kreditnehmer den Betrag auf seinem Girokonto gut, ohne dass dafür zunächst Bargeld oder andere Einlagen erforderlich sind. Diese Geldschöpfung ist jedoch durch verschiedene Faktoren begrenzt, insbesondere durch die Mindestreservepflicht und die Nachfrage nach Krediten.
Faktoren der Geldmengenentwicklung
Die Entwicklung der Geldmenge wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Die Geldpolitik der Zentralbank spielt dabei eine wichtige Rolle, etwa durch die Festlegung der Leitzinsen und den Einsatz verschiedener geldpolitischer Instrumente wie Offenmarktgeschäfte oder Quantitative Easing.
Das Verhalten der Geschäftsbanken beeinflusst die Geldmenge durch ihre Kreditvergabepolitik. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten können Banken trotz niedriger Zinsen zurückhaltend bei der Kreditvergabe sein, was das Geldmengenwachstum bremst.
Auch das Verhalten der Nichtbanken hat Einfluss auf die Geldmenge. Die Präferenz für liquide Anlagen, das Konsumverhalten und die Kreditnachfrage der privaten Haushalte und Unternehmen beeinflussen die Zusammensetzung und Höhe der Geldmenge.
Geldmenge und Preisstabilität
Ein wichtiger Zusammenhang besteht zwischen der Geldmengenentwicklung und der Preisstabilität. Nach der Quantitätstheorie des Geldes führt ein übermäßiges Geldmengenwachstum bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und konstantem realem Sozialprodukt zu Inflation.
Die EZB orientiert sich bei ihrer Geldpolitik daher an einem Referenzwert für das M3-Wachstum, der mit Preisstabilität vereinbar ist. Allerdings hat sich der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation in den letzten Jahren als weniger stabil erwiesen als früher angenommen.
Europäische Geldmengenaggregate und ihre Bedeutung
Die Geldmenge wird in verschiedene Aggregate unterteilt, die sich in ihrer Liquidität unterscheiden. Im Euroraum verwendet die Europäische Zentralbank (EZB) die Aggregate M1, M2 und M3, die jeweils unterschiedliche Formen von Geld und geldnahen Anlagen umfassen.
M1 ist das engste Geldmengenaggregat und umfasst das am schnellsten verfügbare Geld: Bargeld und täglich fällige Einlagen auf Girokonten. Diese Geldform kann unmittelbar für Zahlungen verwendet werden und weist die höchste Liquidität auf.
M2 erweitert M1 um Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten. Diese Anlagen sind weniger liquide als M1-Komponenten, können aber relativ leicht in Zahlungsmittel umgewandelt werden.
M3 ist das breiteste Geldmengenaggregat und enthält zusätzlich zu M2 noch Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren. Dieses Aggregat dient der EZB als wichtiger Indikator für die mittelfristige Preisentwicklung.
Internationale Aspekte der Geldmengensteuerung
In einer globalisierten Wirtschaft wird die nationale Geldmengensteuerung durch internationale Kapitalbewegungen beeinflusst. Unterschiedliche Zinsniveaus können zu Kapitalbewegungen führen, die die Geldmenge im In- und Ausland beeinflussen.
Die internationale Koordination der Geldpolitik gewinnt daher an Bedeutung. Besonders in Währungsräumen wie der Eurozone muss die gemeinsame Geldpolitik die unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen in den Mitgliedsländern berücksichtigen.
Aktuelle Entwicklungen
Die traditionelle Geldmengenpolitik steht vor neuen Herausforderungen. Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs und neue Finanzinnovationen machen es schwieriger, die relevante Geldmenge eindeutig abzugrenzen und zu kontrollieren.
Die anhaltende Niedrigzinsphase und unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen wie Quantitative Easing haben zu einem starken Wachstum der Geldmenge geführt, ohne dass sich dies bisher in entsprechend höherer Inflation niedergeschlagen hat. Dies stellt traditionelle geldpolitische Theorien in Frage.
Ein aktuelles Thema ist die mögliche Einführung von digitalem Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC). Dies würde Privatpersonen und Unternehmen ermöglichen, direkt digitales Geld bei der Zentralbank zu halten.
Diese Innovation könnte die Struktur des Geldsystems grundlegend verändern und neue Möglichkeiten für die Geldmengensteuerung eröffnen. Gleichzeitig entstehen dadurch neue Herausforderungen für die Finanzstabilität und die Rolle der Geschäftsbanken im Geldschöpfungsprozess.