Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht stellt ein wichtiges Instrument der Vertretungsmacht im kaufmännischen Geschäftsverkehr dar. Sie ermöglicht es Unternehmen, bestimmten Mitarbeitern begrenzte Befugnisse zur Vertretung des Unternehmens einzuräumen, ohne ihnen die weitreichenden Rechte einer Prokura zu gewähren. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in den §§ 54-58 des Handelsgesetzbuchs (HGB).
Rechtliche Grundlagen und Definition
Nach § 54 Abs. 1 HGB ist die Handlungsvollmacht eine Vollmacht, die zur Vornahme aller Geschäfte und Rechtshandlungen ermächtigt, die der Betrieb eines Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Der Handlungsbevollmächtigte wird vom Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter bestellt und kann im Rahmen seiner Vollmacht das Unternehmen nach außen vertreten.
Anders als die Prokura, die im Handelsregister eingetragen werden muss, entsteht die Handlungsvollmacht formlos durch einseitige Erklärung des Geschäftsinhabers. Sie kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden, etwa durch die Übertragung einer Position, mit der typischerweise bestimmte Vertretungsbefugnisse verbunden sind.
Umfang der Vertretungsmacht
Die Handlungsvollmacht ist in ihrem Umfang grundsätzlich auf Geschäfte beschränkt, die für den jeweiligen Betrieb typisch sind. Was "gewöhnlich" ist, richtet sich nach Art und Größe des Unternehmens sowie der Branche. Ein Handlungsbevollmächtigter in einem Einzelhandelsgeschäft kann beispielsweise Waren einkaufen und verkaufen, nicht aber grundlegende Änderungen am Geschäftsmodell vornehmen.
Bestimmte Rechtshandlungen sind dem Handlungsbevollmächtigten gemäß § 54 Abs. 2 HGB ausdrücklich untersagt. Dazu gehören die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung. Für diese Geschäfte bedarf es einer besonderen Vollmacht.
Arten der Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht kann in verschiedenen Formen erteilt werden. Die Generalhandlungsvollmacht erstreckt sich auf den gesamten gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes. Die Arthandlungsvollmacht beschränkt sich auf bestimmte Arten von Geschäften, etwa den Einkauf oder Verkauf. Die Einzelhandlungsvollmacht wird nur für ein konkretes Geschäft erteilt.
Eine besondere Form ist die Handlungsvollmacht für den Laden- oder Geschäftsverkehr nach § 56 HGB. Sie ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem Laden oder offenen Warenlager gewöhnlich geschehen. Diese Vollmacht wird häufig stillschweigend durch die Anstellung als Verkäufer erteilt.
Abgrenzung zur Prokura
Die Handlungsvollmacht unterscheidet sich von der Prokura vor allem durch ihren geringeren Umfang. Während der Prokurist das Unternehmen in nahezu allen Handelsgeschäften vertreten kann, ist der Handlungsbevollmächtigte auf gewöhnliche Geschäfte beschränkt. Die Prokura ist zudem im Handelsregister einzutragen, während die Handlungsvollmacht formlos erteilt werden kann.
Ein weiterer wichtiger Unterschied besteht in der Übertragbarkeit. Die Prokura kann nicht übertragen werden, während die Handlungsvollmacht mit Zustimmung des Geschäftsinhabers weitergegeben werden kann. Dies ermöglicht eine flexiblere Handhabung der Vertretungsbefugnisse.
Pflichten und Haftung des Handlungsbevollmächtigten
Der Handlungsbevollmächtigte ist verpflichtet, seine Vollmacht im Interesse des Unternehmens und nach den Weisungen des Geschäftsinhabers auszuüben. Er unterliegt einer Treuepflicht und muss Geschäftsgeheimnisse wahren. Bei Überschreitung seiner Befugnisse kann er dem Geschäftsinhaber gegenüber schadenersatzpflichtig werden.
Im Außenverhältnis ist die Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten nach dem Rechtsscheinsprinzip zu beurteilen. Geschäftspartner dürfen auf den äußeren Anschein der Vollmacht vertrauen, sofern sie gutgläubig sind. Interne Beschränkungen der Handlungsvollmacht wirken nur im Innenverhältnis.
Beendigung der Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht kann jederzeit durch den Geschäftsinhaber widerrufen werden. Sie erlischt auch durch den Tod des Handlungsbevollmächtigten, nicht aber automatisch durch den Tod des Geschäftsinhabers. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt die Handlungsvollmacht, sofern sich aus den Umständen nicht etwas anderes ergibt.
Die Beendigung muss Geschäftspartnern bekannt gemacht werden, um den Rechtsschein der fortbestehenden Vollmacht zu beseitigen. Dies kann durch ausdrückliche Mitteilung oder öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
Praktische Bedeutung im Geschäftsverkehr
Die Handlungsvollmacht spielt im heutigen Geschäftsleben eine wichtige Rolle für die effiziente Organisation von Unternehmen. Sie ermöglicht es, Entscheidungsbefugnisse zu delegieren und Abläufe zu beschleunigen, ohne dass der Geschäftsinhaber die Kontrolle über grundlegende Entscheidungen verliert.
Besondere Bedeutung hat die Handlungsvollmacht im Einzelhandel und bei Dienstleistungsunternehmen, wo viele Mitarbeiter regelmäßig Geschäfte mit Kunden abschließen. Auch im mittleren Management ist sie ein wichtiges Instrument zur Delegation von Verantwortung.
Digitalisierung und Globalisierung
Die zunehmende Digitalisierung des Geschäftsverkehrs stellt neue Anforderungen an die Handhabung von Handlungsvollmachten. Bei Online-Geschäften muss die Vertretungsmacht technisch abgebildet und kontrolliert werden. Elektronische Signaturen und digitale Vollmachtsnachweise gewinnen an Bedeutung.
Auch die internationale Dimension des Geschäftsverkehrs wirft neue Fragen auf. Die Handlungsvollmacht muss mit ausländischen Rechtssystemen kompatibel sein und in grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen anerkannt werden.