Wandelanleihen

Wandelanleihen, auch Convertible Bonds genannt, sind hybride Finanzinstrumente, die Elemente von Fremd- und Eigenkapital vereinen. Sie starten als verzinsliche Anleihen, können aber später in Aktien bzw. Anteile des emittierenden Unternehmens umgewandelt werden. Diese Flexibilität macht sie zu einem interessanten Finanzierungsinstrument sowohl für Unternehmen als auch für Investoren.

Allgemeines

Eine Wandelanleihe ist zunächst eine normale Unternehmensanleihe mit fester Laufzeit und regelmäßigen Zinszahlungen. Das Besondere ist das enthaltene Wandlungsrecht, das dem Inhaber die Option gibt, die Anleihe zu bestimmten Zeitpunkten oder innerhalb festgelegter Zeiträume in eine vorab definierte Anzahl von Aktien bzw. Unternehmensanteile zu "wandeln". Der Wandlungspreis und das Wandlungsverhältnis werden bereits bei der Emission festgelegt, was beiden Parteien Planungssicherheit gewährt.

Typischerweise liegt der Kupon einer Wandelanleihe unter dem Zinssatz vergleichbarer konventioneller Anleihen, da das Wandlungsrecht einen zusätzlichen Wert darstellt. Die Laufzeiten betragen meist zwischen 5 und 10 Jahren, wobei auch längere Laufzeiten möglich sind. Das macht Wandelanleihen für Unternehmen wie Investoren besonders interessant. Unternehmen können sich zu vergeichsweise günstigen Kapitalkosten finanzieren, während Investoren die Entwicklung eines Unternehmens abwarten können - sich jedoch einen späteren Einstieg zu wesentlich günstigeren Konditionen sichern können als andere Teilnehmer einer regulären, späteren Finanzierungsrunde.

Rechtliche Grundlagen

Die Emission von Wandelanleihen unterliegt in Deutschland dem Wertpapierprospektgesetz und erfordert einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften ist zudem § 221 AktG relevant, der die Ausgabe von Wandelanleihen regelt. Die Hauptversammlung muss der Emission mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen und das erforderliche bedingte Kapital beschließen.

Die Anleihebedingungen regeln die Details wie Wandlungszeiträume, Verwässerungsschutzklauseln und technische Aspekte der Wandlung. Diese Bedingungen sind Teil des Prospekts und für beide Seiten bindend.

Bewertung

Die Bewertung von Wandelanleihen ist komplex, da sie aus mehreren Komponenten besteht. Der Wert setzt sich zusammen aus dem Anleihewert (Straight Bond Value) und dem Wert des Wandlungsrechts (Option Value). Für die Bewertung der Optionskomponente werden häufig Optionspreismodelle wie das Black-Scholes-Modell verwendet, allerdings mit Anpassungen für die Besonderheiten von Wandelanleihen.

Wichtige Einflussfaktoren sind der aktuelle Aktienkurs, die Volatilität der Aktie, das Zinsniveau, die Bonität des Emittenten und die Dividendenpolitik. Die Bewertung muss auch Verwässerungseffekte und mögliche Anpassungen des Wandlungspreises berücksichtigen.

Rolle in der Unternehmensfinanzierung

Für Unternehmen bieten Wandelanleihen mehrere Vorteile: Die niedrigeren Zinsen im Vergleich zu normalen Anleihen reduzieren die laufenden Finanzierungskosten. Die potenzielle spätere Wandlung in Eigenkapital verbessert die Eigenkapitalquote, ohne sofort eine Verwässerung der bestehenden Aktionäre zu verursachen.

Wandelanleihen werden häufig von Unternehmen in Wachstumsphasen oder bei der Finanzierung größerer Investitionen eingesetzt. Sie können auch als Brückenfinanzierung dienen, wenn ein Unternehmen später eine Eigenkapitalaufnahme plant, aber aktuell ungünstige Marktbedingungen vorherrschen.

Für Emittenten besteht das Risiko, dass die Wandlung zu einem ungünstigen Zeitpunkt erfolgt. Die Strukturierung und Dokumentation ist aufwendig und kostenintensiv. Verwässerungsschutzklauseln müssen sorgfältig gestaltet werden, um bestehende Aktionäre nicht zu benachteiligen. Insbesondere für junge Unternehmen kann eine Wandelanleihe vor Wandlung einen erhebliche Verbindlichkeit innerhalb der Bilanz darstellen, was fortwährenden Erläuterungsbedarf zur Finanzsituation schafft.

Vorteile für Investoren

Aus Investorensicht kombinieren Wandelanleihen die Sicherheit einer Anleihe mit dem Potenzial von Aktien. Im schlechtesten Fall erhalten sie die vereinbarten Zinsen und die Rückzahlung am Laufzeitende. Bei steigenden Aktienkursen können sie von der Wertsteigerung durch Ausübung des Wandlungsrechts profitieren.

Institutionelle Investoren nutzen Wandelanleihen oft für Arbitragestrategien oder zur Portfoliodiversifikation. Die asymmetrische Renditestruktur - begrenzte Verluste bei fallenden Aktienkursen, aber Partizipation an steigenden Kursen - macht sie besonders für risikoaverse Anleger interessant.

Sonderformen

Neben klassischen Wandelanleihen existieren verschiedene Varianten. Pflicht- oder Zwangswandelanleihen (Mandatory Convertibles) müssen am Ende der Laufzeit in Aktien gewandelt werden. Bei umgekehrten Wandelanleihen (Reverse Convertibles) liegt das Wandlungsrecht beim Emittenten.

Contingent Convertibles (CoCos) sind eine spezielle Form, die hauptsächlich von Banken emittiert wird. Sie wandeln sich automatisch in Eigenkapital um oder werden abgeschrieben, wenn bestimmte aufsichtsrechtliche Kennzahlen unterschritten werden.