Bilanzkennzahlen

Bilanzkennzahlen sind unverzichtbare Instrumente der Unternehmensanalyse, die aus den Positionen der Bilanz abgeleitet werden und wichtige Einblicke in die finanzielle Situation eines Unternehmens gewähren. Sie verdichten die komplexen Informationen der Bilanz zu aussagekräftigen Verhältniszahlen und ermöglichen so eine effiziente Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

Die besondere Bedeutung von Bilanzkennzahlen liegt in ihrer Fähigkeit, verschiedene Aspekte der Unternehmenssituation quantitativ messbar und vergleichbar zu machen. Sie dienen nicht nur der internen Steuerung, sondern sind auch für externe Stakeholder wie Investoren, Kreditgeber und Geschäftspartner von großem Interesse.

Vermögensstrukturkennzahlen

Wie der Name dieser Kennzahlengruppe bereits verrät, erlauben Vermögensstrukturkennzahlen einen Einblick in die Struktur von Anlage- und Umlaufvermögen des Unternehmens.

Die Anlagenintensität zeigt bspw. den Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen und gibt Aufschluss über die Flexibilität eines Unternehmens. Eine hohe Anlagenintensität deutet auf hohe Fixkosten und geringere Anpassungsfähigkeit hin, kann aber auch Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber darstellen.

Die Umlaufintensität beschreibt als Gegenstück zur Anlagenintensität hingegen den Anteil des Umlaufvermögens am Gesamtvermögen. Sie ist besonders wichtig für die Beurteilung der kurzfristigen Handlungsfähigkeit und Liquidität eines Unternehmens.

Eine ebenfalls sehr relevante Vermögensstrukturkennzahl ist das Working Capital. Das Working Capital, berechnet als Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten und stellt damit einen wichtigen Indikator für die operative Finanzierungssituation. Ein positives Working Capital zeigt, dass das kurzfristig gebundene Vermögen auch kurzfristig finanziert ist.

Kapitalstrukturkennzahlen

Die Eigenkapitalquote als Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme ist eine der wichtigsten Bilanzkennzahlen überhaupt. Sie gibt Auskunft über die finanzielle Stabilität und Unabhängigkeit eines Unternehmens. Eine hohe Eigenkapitalquote bedeutet in der Regel eine größere Krisenfestigkeit und bessere Bonitätseinstufung.

Der Verschuldungsgrad setzt Fremdkapital und Eigenkapital ins Verhältnis und zeigt die Relation zwischen externer und interner Finanzierung. Ein hoher Verschuldungsgrad kann auf erhöhte finanzielle Risiken hinweisen, ermöglicht aber auch eine größere Hebelwirkung auf die Eigenkapitalrentabilität.

Die Fremdkapitalstruktur, unterteilt in kurz-, mittel- und langfristige Komponenten, gibt Aufschluss über die zeitliche Verteilung der Verbindlichkeiten. Eine ausgewogene Fristenstruktur ist wichtig für die finanzielle Stabilität.

Liquiditätskennzahlen

Die Liquidität ersten Grades (Cash Ratio) setzt die liquiden Mittel ins Verhältnis zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Sie zeigt die unmittelbare Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens und sollte je nach Branche zwischen 10% und 30% liegen.

Die Liquidität zweiten Grades (Quick Ratio) bezieht zusätzlich die kurzfristigen Forderungen ein und gibt Aufschluss über die erweiterte Zahlungsfähigkeit. Ein Wert über 100% bedeutet, dass die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch liquide Mittel und Forderungen gedeckt sind.

Die Liquidität dritten Grades (Current Ratio) berücksichtigt das gesamte Umlaufvermögen und sollte idealerweise über 200% liegen. Sie zeigt die theoretische Fähigkeit eines Unternehmens, alle kurzfristigen Verbindlichkeiten aus dem Umlaufvermögen zu bedienen.

Aktivitätskennzahlen

Die Lagerumschlagshäufigkeit gibt an, wie oft der durchschnittliche Lagerbestand im Laufe eines Jahres umgeschlagen wird. Eine hohe Umschlagshäufigkeit deutet auf effizientes Lagermanagement hin, muss aber im Kontext der Branche und Geschäftsstrategie bewertet werden.

Die Forderungslaufzeit zeigt, wie lange es durchschnittlich dauert, bis Forderungen beglichen werden. Eine kurze Laufzeit ist positiv für die Liquidität, während eine lange Laufzeit auf mögliche Probleme im Forderungsmanagement hinweisen kann.

Die Verbindlichkeitenlaufzeit gibt Aufschluss über die durchschnittliche Zahlungsdauer bei Lieferantenverbindlichkeiten. Eine lange Laufzeit kann vorteilhaft für die Liquidität sein, sollte aber nicht zu Lasten guter Lieferantenbeziehungen gehen.

Investitions- und Finanzierungskennzahlen

Der Anlagendeckungsgrad I zeigt, inwieweit das Anlagevermögen durch Eigenkapital finanziert ist. Ein Wert über 100% entspricht der klassischen goldenen Bilanzregel und deutet auf eine solide Finanzierungsstruktur hin.

Der Anlagendeckungsgrad II bezieht zusätzlich das langfristige Fremdkapital ein und sollte ebenfalls über 100% liegen, um eine fristenkongruente Finanzierung zu gewährleisten.

Die Investitionsquote setzt die Neuinvestitionen ins Verhältnis zum Anlagevermögen und gibt Aufschluss über die Investitionstätigkeit des Unternehmens. Sie ist wichtig für die Beurteilung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit.

Interpretation und Analysemethoden

Bei der Analyse von Bilanzkennzahlen ist ein mehrdimensionaler Ansatz wichtig. Der Zeitvergleich ermöglicht die Beurteilung der Entwicklung über mehrere Perioden, während der Betriebsvergleich die Position im Wettbewerbsumfeld aufzeigt.

Die Interpretation muss immer branchenspezifisch erfolgen, da sich typische Kennzahlenniveaus zwischen verschiedenen Wirtschaftszweigen deutlich unterscheiden können. Ein Produktionsunternehmen hat beispielsweise typischerweise eine andere Vermögensstruktur als ein Handelsunternehmen. Auch die Unternehmensgröße und das Geschäftsmodell müssen bei der Analyse berücksichtigt werden. Start-ups und etablierte Unternehmen weisen oft sehr unterschiedliche Kennzahlenausprägungen auf, ohne dass dies zwangsläufig auf Probleme hindeutet.

Die verschiedenen Kennzahlen sollten nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenhang betrachtet werden. Erst die kombinierte Analyse verschiedener Kennzahlen ermöglicht ein vollständiges Bild der Unternehmenssituation und erlaubt fundierte Schlussfolgerungen für Management und Stakeholder.